Gedanken zum Advent | 55-1
Ich stehe im Regen und versuche die erste Kerze auf meinem Adventskranz anzuzünden.
Das ist absurd. Ich weiß. Außerdem klappt es auch nicht. Ich versuche es trotzdem nochmal. Obwohl ich weiß, dass das nicht klappen kann. Ich weiß, dass die kleine Flamme in dem strömenden Regen keine Chance hat.
Ich will aber, dass sie brennt. Die erste Kerze soll brennen.
Trotzig greife ich zum nächsten Streichholz und ärgere mich gleichzeitig über mich selbst. Ist das nicht ein reichlich sentimentales Ritual? Hauptsache, die erste Kerze brennt? Und dann was? Alles wird gut?
Die Welt steht im Regen und ich versinke in Enttäuschung und Verzweiflung. Wie schlimm kann es überhaupt noch werden? Klima im Wandel, die Völker im Krieg, – wir Menschen verspielen unsere Zukunft und die Welt scheint aus dem Gleichgewicht zu kippen.
Und ich steh’ immer noch im Regen und halte mit jedem neuen Streichholz, das ich für den Bruchteil von Sekunden zum Brennen bringe, die Hoffnung hoch.
Ich steh’ im Regen und warte. Die Kerzen an und die Türchen auf. Mein Warten muss doch einen Sinn haben!
Advent – von lateinisch adventus – heißt Ankunft. In der Adventszeit warten Christinnen und Christen auf die Ankunft Jesu Christi.
Im 6. Jahrhundert wurde von Papst Gregor die Zahl der Adventssonntage auf vier festgelegt. Vier Adventssonntage als symbolischer Hinweis auf die 4000 Jahre, die die Welt auf die Wiederkunft Christi warten muss.
Was die Welt mit dieser Zahl anfangen soll, ist mir ein Rätsel. Und mir selbst hilft sie in meinem Warten auch nicht. Ich warte jetzt. Und ich erwarte, dass sich bald etwas zum Guten ändert.
Ich erwarte nichts Geringeres als ein Wunder, wenn ich die Kerzen auf meinem Adventskranz anzünde und meinen Kindern immer noch die Möglichkeit gebe, jeden Tag ein Türchen zu öffnen.
Dieses sehnsuchtsvolle Warten hält mir die Zukunft offen. Und auch, wenn ich im Regen stehe und die Welt im Argen liegt – im Warten steckt die Kraft der Veränderung. Ich erwarte nichts Geringeres als die Erfüllung der alten Verheißung: Frieden auf Erden!
Pfarrerin Anne Kathrin Quaas
Ich steh’ im Regen und warte auf Dich, auf Dich. Auf allen Wegen erwart’ ich nur Dich, immer nur Dich. Der Zeiger der Kirchturmuhr rückt von Strich zu Strich, - ach, wo bleibst Du denn nur? Denkst nicht mehr an mich? Und ich steh’ im Regen und warte auf Dich, auf Dich.
Zarah Leander
(aus Sacharja 9)